Schema: Aufrechnung, §§ 387 ff. BGB

  1. Voraussetzung der Aufrechnung
    1. Aufrechnungslage, § 387 BGB
      1. Gegenseitigkeit (der Forderungen)
      2. Gleichartigkeit
      3. Erfüllbarkeit der Hauptforderung
      4. Durchsetzbarkeit der Gegenforderung
  2. Aufrechnungserklärung, § 388 BGB
  3. Kein Ausschluss
    1. Kraft Vereinbarung
    2. Kraft Gesetzes
  4. Rechtsfolge
    1. Erlöschung der Forderungen mit Rückwirkung, § 389 BGB

Die Aufrechnung ist ein Erfüllungssurrogat, wie z.B. die Hinterlegung nach §§ 372 ff. BGB und der Selsbthilfeverkauf gem. §§ 383 ff. BGB.

I. Voraussetzung der Aufrechnung

1. Aufrechnungslage, § 387 BGB

a. Gegenseitigkeit der Forderung

Zwischen den beteiligten Personen muss Identität bestehen.[1] D.h. Der Gläubiger der einen Forderung muss zugleich auf Schuldner der anderen Forderung sein und vice versa.[2] Eine Ausnahme bildet § 406 BGB (Aufrechnung bei Abtretung beim Zessionar). Weitere sind bei §§ 409, 566d BGB zu finden.

Der Erklärende kann nur mit eigenen Forderungen aufrechnen aber nicht mit Forderungen von Dritten, selbst wenn der Dritte einwilligt[3] (vgl. § 267 BGB).

b. Gleichartigkeit der Forderung

Die gegenseitig geschuldeten Forderungen müssen gleichartig sein (Geld- oder Gattungsschulden, vgl. § 91 BGB).[4] Fehlt die Gleichartigkeit kommen nur Zurückbehaltungsrechte (§§ 273 ff. BGB) in Betracht.[5]

c. Erfüllbarkeit der Hauptforderung

Die Hauptforderung muss wirksam und erfüllbar sein (§ 271 BGB).[6] Eine einredebehaftete Hauptforderung ist nicht schädlich, da ein Schuldner auch eine einredebehaftete Forderung erfüllen kann.[7] Folglich kann auch mit einer Forderung aufgerechnet werden, die bereits vor Eintritt der Aufrechnungslage verjährt war.[8]

d. Durchsetzbarkeit der Gegenforderung

Durchsetzbarkeit der Gegenforderung bedeutet, dass der Aufrechnungserklärende die ihm berechtigte Forderung auch verlangen kann (Voraussetzung: Wirksamkeit und Fälligkeit, § 271 BGB).[9] Es fehlt daher an der Vollwirksamkeit, wenn die Gegenforderung einredebehaftet ist (Vgl. § 390 BGB).[10] Zu nennen ist das Zurückbehaltungsrecht nach § 273 BGB oder die Einrede des nicht erfüllten Vertrages nach § 320 BGB.[11]

Eine sehr wichtige Ausnahme und Norm ist in diesem Zusammenhang § 215 BGB. Danach kann auch bei vorliegender Verjährung aufgerechnet werden, wenn die Gegenforderung zum Zeitpunkt des Bestehens der Aufrechnungslage noch nicht verjährt war.[12]

2. Aufrechnungserklärung, § 388 BGB

Die Aufrechnung muss nach § 388 BGB erklärt werden. Es handelt sich dabei um eine empfangsbedürftige Willenserklärung.[13] Sie darf weder bedingt (§ 158 BGB) noch befristet sein, § 388 S. 2 BGB.[14]

Prozessual steht § 388 S.2 BGB einer Eventualaufrechnung nicht entgegen.[15] Das Bestehen einer Forderung ist nach § 158 BGB kein künftiges ungewisses Ereignis darstellt, handelt es sich also auch nicht um eine Bedingung i.S.v. § 158 BGB, sondern vielmehr um eine verfahrensrechtlich zulässige Rechtsbedingung.[16] Die Aufrechnung selbst unterliegt keiner Bedingung, sondern soll lediglich berücksichtigt werden, wenn das Gericht zum Entschluss kommt, dass die Forderung besteht[17].

3. Kein Ausschluss

a. Kraft Vereinbarung

Grundsätzlich steht diesbezüglich im Wege der Privatautonomie nichts gegen einen vertraglichen Ausschluss der Aufrechnung.[18] Zu beachten sind jedoch folgende Regelungen:

  • 391 Abs. 2 BGB (Auslegungsregel): Ein vertraglicher Ausschluss der Aufrechnung ist demnach anzunehmen, wenn sowohl Leistungszeit und Leistungsort vertraglich festgelegt sind und die Gegenforderung an einem anderen Ort vereinbart wurde.[19] Ansonsten würde der Gläubiger trotz der Vereinbarungen eine Forderung zu einer ganz anderen Leistungszeit bzw. zu einem ganz anderen Leistungsort erhalten.[20]
  • 309 Nr. 3 BGB (Aufrechnungsverbot): Eine Klausel in den Allgemeinen Geschäftsbedingung (AGB) kann unwirksam sein, wenn dadurch ein Aufrechnungsverbot gegen unbestrittene oder rechtskräftige Forderungen bestimmt wird.[21]

b. Kraft Gesetzes

  • 392 BGB regelt den Fall der Beschlagnahme der Hauptforderung, also Pfändung nach §§ 829 ff ZPO). Das Aufrechnungsverbot gilt aber nur, sofern der Schuldner seine Forderung erst nach der Beschlagnahme erworben hat bzw. seine Forderung erst nachher fällig geworden ist.[22]
  • 393 BGB regelt den Fall, dass gegen eine Forderung, die aus einer unerlaubten Handlung entstanden ist, nicht aufgerechnet werden kann. Ziel dieser Norm ist es, eine Art „sanktionslose Privatrache[23]“ zu verhindern.[24] Denn wenn der Schuldner zahlungsunfähig ist, könnte der Gläubiger sonst dem Schuldner solange Schlagen und damit Schaden zufügen, um so einen Ausgleich herbeizuführen.[25] Problematisch wird es, wenn beide Forderungen aus unerlaubten Handlungen entstanden sind („einheitlicher Lebensvorgang„, z.B. bei einer Prügelei:
    • Eine Ansicht sieht darin kein Verstoß gegen das Telos von § 393 BGB und hält eine Anwendung der Aufrechnung für zulässig, da beide nicht schutzwürdig sind.[26]
    • Dagegen spricht, dass die erste Ansicht zu einer Rechtsunsicherheit führen würde und bei jedem Einzelfall ein „einheitlicher Lebensvorgang“ geprüft werden müsste.[27] Außerdem spricht auch der Wortlaut von § 393 BGB dagegen.[28]

III. Rechtsfolge

a. Erlöschung der Forderungen mit Rückwirkung, § 389 BGB

Soweit sich die Forderungen decken, erlöschen beide Forderungen rückwirkend (ex tunc), § 389 BGB.[29] Zeitlicher Anknüpfungspunkt ist dabei das Vorliegen der Aufrechnungslage.[30] Dadurch entfallen nach Aufrechnungserklärung (siehe oben) auch sämtliche Ansprüche z.B. wegen Verzug, Verzinslichkeit, Vertragsstrafe.[31]

Die Forderung des Aufrechnungsgegners wird auch Passivforderung (Hauptforderung) genannt. Die Forderung des Aufrechnungserklärenden Aktivforderung (Gegenforderung).


[1] Looschelders, Schuldrecht Allgemeiner Teil, 14. Auflage 2016, § 18, Rn. 375.
[2] Supra.
[3] Supra, (Fn. 1).
[4] Looschelders, (Fn. 1), § 18, Rn. 376.
[5] Supra.
[6] Looschelders, (Fn. 1), § 18, Rn. 378.
[7] Supra.
[8] Supra, (Fn.6).
[9] Looschelders, (Fn. 1), § 18, Rn. 377.
[10] Supra.
[11] Supra, (Fn. 10).
[12] Supra, (Fn. 10).
[13] Looschelders, (Fn. 1), § 18, Rn. 379.
[14] Supra.
[15] Looschelders, (Fn. 1), § 18, Rn. 380.
[16] Supra, (Fn. 15).
[17] Supra, (Fn. 15).
[18] Looschelders, (Fn. 1), § 18, Rn. 381.
[19] Supra.
[20] Supra, (Fn. 18).
[21] Supra, (Fn. 18).
[22] Looschelders, (Fn. 1), § 18, Rn. 383.
[23] Wirtz/Lüdde, Schuldrecht AT 2 (Skript), Rn. 40.
[24] Looschelders, (Fn. 1), § 18, Rn. 384.
[25] Supra; Wirtz/Lüdde, (Fn. 23), Rn. 40.
[26] Looschelders, (Fn. 1), § 18, Rn. 384.
[27] Supra.
[28] Supra, (Fn. 26).
[29] Looschelders, (Fn. 1), § 18, Rn. 386.
[30] Supra.
[31] Supra, (Fn. 29); Wirtz/Lüdde, (Fn. 23), Rn. 45.

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Van
Van

Van hat Jura an der Ruhr-Universität Bochum studiert und belegte den Schwerpunkt "Unternehmen und Wettbewerb" mit Fokus auf Urheberrecht, Gewerblichen Rechtsschutz und Datenschutzrecht. Neben Jura interessiert er sich für Fotografie, Sport und Web 2.0. Außerdem mag er Katzen.