Denise erzählt von ihrem neunmonatigen Auslandsaufenthalt in Frankreich, Teil 2
Ich wünsche viel Spaß beim Lesen meines Erfahrungsberichtes. Fragen und Anregungen können gerne unten im Kommentarbereich gestellt werden.
Studium an der Gasthochschule
Bezüglich des Studiums sollte ich festhalten, dass alle Teilnehmer des Studiengangs „Nationales und Europäisches Wirtschaftsrecht“ direkt in das dritte Studienjahr der französischen Rechtswissenschaften eingestuft wurden und wir somit die gleichen Kurse belegen mussten wie die normalen französischen Studenten. Die Prüfungen und Klausuren mussten ebenfalls unter den gleichen Bedingungen abgelegt werden. Auf dem Stundenplan standen mehrere juristische Vorlesungen, von denen zwei von sogenannten „Travaux dirgées“ (TD) begleitet wurden. Die TD’s ähneln den deutschen Arbeitsgemeinschaften und dienen dazu, den Stoff aus den Vorlesungen zu vertiefen und praktische Aufgaben zu bearbeiten. Dazu gehörte die Lösung von Fällen sowie das Verfassen von Urteilskommentaren, einer typisch französischen juristischen Aufgabe, an dessen Methodik man sich erst gewöhnen musste. Im Gegensatz zu den deutschen AG’s werden in Frankreich die TD’s benotet und man ist dazu verpflichtet, wöchentlich eine Aufgabe zu bearbeiten und einzureichen. Der Arbeitsaufwand für diese Kurse war sehr hoch, weshalb die Freizeit eher knapp bemessen war wenn man das Ziel verfolgt, gute Noten zu erzielen und alle Aufgaben fristgemäß zu erledigen. Des Weiteren mussten wir in jedem Semester einen Englischkurs besuchen, der in das amerikanische Strafrecht einführte. Für diesen Kurs mussten Präsentationen und Referate vorbereitet werden, jedoch fiel uns dieser Kurs nicht sehr schwer, da das Niveau für das Beherrschen der englischen Sprache in Frankreich um Einiges niedriger zu sein scheint als in Deutschland. Zu Beginn des Studiums hatte ich Probleme, den Vorlesungen schnell genug zu folgen und alles mitzuschreiben, da man sich erst an das schnelle Sprechen der Professoren gewöhnen musste.
In Frankreich wird leider sehr wenig interaktiv mit den Studenten gearbeitet und die meisten Professoren lesen tatsächlich ihr Skript vor. Materialien in Form von Power Point Folien und Skripten im Internet wurden nicht zur Verfügung gestellt. Daher war man zum Lernen auf die Mitschriften aus den Vorlesungen angewiesen. Mit der Zeit habe ich gemerkt, dass sich mein Hörverständnis stark verbessert hat und es mir zunehmend leichter fiel, den Vorlesungen zu folgen und meine Aufgaben zu erledigen, ohne ständig Vokabeln nachschlagen zu müssen. Zudem haben wir davon profitiert, dass unsere französischen Kommilitonen ihre Unterlagen mit uns geteilt haben. Insgesamt war die Arbeitsbelastung sehr hoch, da wir viele Klausuren geschrieben haben und man in jedem Semester auch eine mündliche Prüfung in einem Nebenfach absolvieren musste.
Leider hatten dort gewisse Professoren wenig Verständnis dafür, dass wir keine Muttersprachler sind und zum Beantworten der Fragen etwas mehr Zeit benötigt haben. Im Laufe des 6. Semesters an der Universität in Tours mussten wir unsere Bachelor Arbeit anfertigen – in französischer Sprache. Dies trug zur zusätzlichen Belastung bei, insbesondere da unsere französischen Kommilitonen keine solche Arbeit anfertigen musste. Dies war mir jedoch zu Beginn meines Studiums bewusst und ich habe es als eine persönliche Herausforderung gesehen, meine Abschlussarbeit in einer Fremdsprache zu verfassen. Damit kam ich besser zurecht, als ich zunächst vermutet hatte. Insgesamt war ich froh, bereits ein recht hohes Niveau der französischen Sprache erreicht zu haben als ich nach Tours kam, aber bekanntlich lernt man nie aus. Dadurch dass man täglich mit der Sprache konfrontiert wurde, konnte man persönliche Verbesserungen bemerken.
Insgesamt unterscheidet sich das französische Universitätssystem von dem deutschen darin, dass die Studenten in Deutschland mehr in den Vorlesungen eingebunden werden und stets dazu aufgefordert sind, sich an Diskussionen zu beteiligen, was in Frankreich nicht der Fall ist.