Einspruch gegen Versäumnisurteil oder Vollstreckungsbescheid

I. Einspruch unzulässig

Einspruch ist als unzulässig zu verwerfen, § 341 ZPO.

Kosten gem. § 97 Abs. 1 ZPO analog oder § 91 ZPO (str.).

  • („weitere Kosten“) bezieht sich auf den Einspruch. Die übrigen Kosten wurden bereits bei dem Versäumnisurteil entschieden.

Vorläufige Vollstreckbarkeit gem. § 708 Nr. 3 ZPO.

1. Tenor[1]

Der Einspruch gegen das Versäumnisurteil des Amtsgerichts Bochum, Az. XYZ, vom 06.03.2021 wird als unzulässig verworfen.

Die weiteren Kosten des Rechtsstreits trägt der Beklagte.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

2. Rechtsmittel

Da es sich um ein „normales“ Endurteil handelt, ist das Rechtsmittel der Berufung gem. §§ 511 ff. ZPO einschlägig.

Wurde der Einspruch jedoch fälschlicherweise durch Beschluss verworfen, kann dagegen die sofortige Beschwerde gem. §§ 567 ff. ZPO erhoben werden (Meistbegünstigungsgrundsatz).[2]

II. Einspruch zulässig

Ein zulässiger Einspruch führt dazu, dass der Rechtsstreit in die Lage zurückversetzt wird, in der er sich vor Eintritt der Säumnis befand gem. § 342 ZPO.

In den Entscheidungsgründen stellt der vorgenannte Satz den allerersten Satz dar. Sodann ist auf die Voraussetzungen des Einspruches einzugehen, danach die Zulässigkeit und Begründetheit der Klage.

Es ist gem. § 341a ZPO ein Termin zur mündlichen Verhandlung zu bestimmen.

1. Wirkungen des Einspruchs

Der Einspruch hat keinen Devolutiveffekt, sondern lediglich einen Suspensiveffekt, § 705 S. 2 ZPO.[3] Devolutiveffekt bedeutet, der Rechtsstreit wird in der nächsten Instanz anhängig gemacht (z.B. bei der Berufung). Suspensiveffekt bedeutet, dass der Eintritt der Rechtskraft gehemmt wird. Letzteres ist hier der Fall gem. § 705 S. 2 ZPO.

Jedoch ist das ergangene Versäumnisurteil weiterhin vollstreckbar.

Dagegen kann sich der Einspruchsführer durch Antrag auf einstweilige Einstellung der
Vollstreckung
wehren gem. §§ 719 Abs. 1, 707 Abs. 1 ZPO. Wird dem Antrag
stattgegeben, besteht ein Vollstreckungshindernis gem. § 775 Nr. 2 ZPO.

2. Zwischenurteil

Gem. § 303 ZPO kann über den Einspruch ein Zwischenurteil ergehen, welches aber nicht separat angefochten werden kann, sondern nur im Rahmen des Endurteils.

Tenor

Der Einspruch des Beklagten gegen das Versäumnisurteil des Amtsgerichts Bochum, Az. XYZ, vom 06.03.2021 ist zulässig.

III. Verfahren nach zulässigem Einspruch

„Normaler“ Prüfungsvorgang, d.h. Zulässigkeit und Begründetheit der Klage. Aufbau daher:

  • Zulässiger Einspruch, § 342 ZPO als einleitender Satz!
  • Zulässigkeit der Klage
  • Begründetheit der Klage
1. Einspruch zulässig aber in der Hauptsache kein Erfolg

Rechtsfolge: Gem. § 342 ZPO wird der Prozess in die Lage zurückversetzt, in die er sich vor Eintritt der Versäumnis befand (den Inhalt dieser Vorschrift sollte man sich als einleitenden Satz in den Entscheidungsgründen merken).

Gem. § 343 ZPO kann das Versäumnisurteil ganz aufrechterhalten werden.

Weitere Kosten beruhen nicht auf § 344 ZPO, sondern wie beim unzulässigen Einspruch (s.o.), also entweder aus § 97 ZPO oder § 91 ZPO analog.

Vorläufige Vollstreckbarkeit: hier § 709 S. 3 ZPO beachten!

a) Das Versäumnisurteil wäre als streitiges Endurteil ein Fall von § 709 S. 1 ZPO, dann ist § 709 S. 3 ZPO anwendbar![4]

Beispielsfall: der Beklagte wurde durch Versäumnisurteil zur Zahlung i.H.v. 3.000,00 EUR verurteilt:

Tenor[5]

Das Versäumnisurteil des Amtsgericht Bochum, Az. XYZ, vom 06.03.2021 wird aufrechterhalten.

Die weiteren Kosten trägt der Beklagte.

Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung i.H.v. 110% des jeweils zu vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbar. Die Vollstreckung aus dem Versäumnisurteil darf nur gegen Leistung dieser Sicherheit fortgesetzt werden.

b) Das Versäumnisurteil wäre als streitiges Endurteil ein Fall von § 708 Nr. 11 Alt. 1 ZPO, dann ist § 709 S. 3 ZPO nicht anwendbar!

Die vorläufige Vollstreckbarkeit richtet sich nach §§ 708, 711, 713 ZPO.

Beispielsfall: der Beklagte wurde durch Versäumnisurteil zur Zahlung i.H.v. 700,00 EUR verurteilt:

Tenor[6]

Das Versäumnisurteil des Amtsgericht Bochum, Az. XYZ vom 06.03.2021 wird aufrechterhalten.

Die weiteren Kosten trägt der Beklagte.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Der Beklagte kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung i.H.v. 110% des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, sofern der Kläger nicht vor der Vollstreckung Sicherheit i.H.v. 110% des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.

2. Einspruch zulässig und in der Hauptsache erfolgreich

Rechtsfolge: Versäumnisurteil wird in jedem Fall aufgehoben und die Klage abgewiesen, § 343 S. 2 ZPO.

Kosten: § 344 ZPO zusätzlich zu § 91 ZPO beachten! § 344 ZPO setzt u.a. ein gesetzmäßiges Versäumnisurteil voraus. Nur wenn diese Voraussetzungen vorliegen, folgt eine aufgespaltene Kostenentscheidung (s.u.). Bei einem gesetzwidrigen Versäumnisurteil sind Erlasshindernisse gem. §§ 335, 337 ZPO beachten!

Vorläufige Vollstreckbarkeit gem. §§ 708, 709, 711, 713 ZPO.

a. Einspruch zulässig, in der Hauptsache erfolgreich, Versäumnisurteil gesetzmäßig ergangen (Streitwert 2.000 EUR, keine besonderen Kosten durch unbegründeten Widerspruch)

Tenor[7]

Das Versäumnisurteil des Amtsgerichts Bochum, Az. XYZ, vom 06.03.2021 wird aufgehoben.

Die Klage wird abgewiesen.

Die Kosten des Rechtsstreits trägt der Kläger mit Ausnahme der Kosten der Säumnis, die dem Beklagten auferlegt werden.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Den Parteien wird nachgelassen, die jeweils gegen sie gerichtete Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des auf Grund des Urteils vollstreckbaren Betrages abzuwenden, wenn nicht die jeweils vollstreckende Partei vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.

b. Einspruch zulässig, in der Hauptsache erfolgreich, Versäumnisurteil gesetzwidrig ergangen (Streitwert 2.000 EUR, keine besonderen Kosten durch unbegründeten Widerspruch)

Tenor[8]

Das Versäumnisurteil des Amtsgerichts Bochum. Az. XYZ, vom 06.03.2021 wird aufgehoben.

Die Klage wird abgewiesen.

Die Kosten des Rechtsstreits trägt der Kläger.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Dem Kläger wird nachgelassen, die gegen ihn gerichtete Vollstreckung durch Sicherheitsleistung i.H.v. 110% des auf Grund des Urteils vollstreckbaren Betrages abzuwenden, wenn nicht der Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit i.H.v. 110% des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.

3. Einspruch zulässig und in der Hauptsache teilweise erfolgreich

Rechtsfolge: Teilaufrechterhaltung und Teilaufhebung des Versäumnisurteils.

Tenor[9]

Das Versäumnisurteil des Amtsgerichts Bochum, Az. XYZ, vom 06.03.2021 wird mit der Maßgabe aufrechterhalten, dass der Beklagte weiter verurteilt wird, 2.000,00 EUR zu zahlen.

Im Übrigen wird das Versäumnisurteil aufgehoben und die Klage abgewiesen.

Die Kosten des Rechtsstreits trägt der Kläger zu einem Drittel, der Beklagte zu zwei Dritteln, außer die Kosten der Säumnis, diese hat der Beklagte allein zu tragen.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar, für den Kläger jedoch nur gegen Sicherheitsleistung i.H.v. 110% des jeweils zu vollstreckenden Betrages. Die Vollstreckung aus dem Versäumnisurteil darf nur gegen Leistung dieser Sicherheit fortgesetzt werden. Dem Kläger wird nachgelassen, die gegen ihn gerichtete Vollstreckung durch Sicherheitsleistung i.H.v. 110% des auf Grund des Urteils vollstreckbaren Betrages abzuwenden, wenn nicht der Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit i.H.v. 110% des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.

[1] Vgl. LG Aachen, Urteil vom 15.06.2018 – 11 O 406717.
[2] Thomas/Putzo, ZPO, 40. Auflage 2018, § 341 Rn. 9.
[3] Oberheim, Zivilprozessrecht für Referendare, 14. Auflage 2021, § 26 Rn. 1285.
[4] Thomas/Putzo, ZPO, 40. Auflage 2018, § 709 Rn. 5.
[5] Vgl. https://www.rechtsanwaltmoebius.de/urteile/domain_gattungsbegriff_naeher.pdf.
[6] Vgl. AG München, Endurteil vom 09.08.2018 – 472 C 8559/18; http://www.ra-herren.de/wp/wp-content/uploads/Amtsgericht-Solingen-Urteil-vom-29.1.2016-11-C-372-15-.pdf.
[7] Vgl. AG Schwelm, Urteil vom 03.02.2005 – 24 C 14/05; LG Wiesbaden, Urteil vom 08. März 2012 – 9 O 66/11.
[8] Vgl. LG Düsseldorf Urteil vom 17. November 2019, Az. 4b O 112/16.
[9] Vgl. OLG Saarbrücken, Urteil vom 21.07.2021 – 4 U 33/20.

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Van
Van

Van hat Jura an der Ruhr-Universität Bochum studiert und belegte den Schwerpunkt "Unternehmen und Wettbewerb" mit Fokus auf Urheberrecht, Gewerblichen Rechtsschutz und Datenschutzrecht. Neben Jura interessiert er sich für Fotografie, Sport und Web 2.0. Außerdem mag er Katzen.