Schema: Drittschadensliquidation (DSL)

  1. Gläubiger hat einen Anspruch gegen den Schuldner, aber keinen Schaden
  2. Dritter hat einen Schaden, aber keinen Anspruch gegen den Schuldner
  3. Zufällige Schadensverlagerung (aus Sicht des Schuldners)

Beachte: Vertrag mit Schutzwirkung zugunsten Dritter (VSD) muss vorher geprüft werden!1

Drittschadensliquidation

  1. Gläubiger hat einen Anspruch den Schuldner, aber keinen Schaden
    • Der Gläubiger hat einen Anspruch gegen den Schuldner, aber keinen Schaden.2

  2. Dritter hat einen Schaden, aber keinen Anspruch gegen den Schuldner
    • Der Geschädigte hat einen Schaden, aber keinen Anspruch gegen den Schuldner.3

  3. Zufällige Schadensverlagerung (aus Sicht des Schuldners)
    • Es muss eine zufällige Schadensverlagerung aus Sicht des Schuldners vorliegen. Siehe Fallgruppen unten.4

  4.   Rechtsfolgen
    • Der Schaden geht über zum Anspruch, also zum Gläubiger. Der Gläubiger kann den Anspruch gegenüber den Schuldner im eigenen Namen geltend machen.

    • Der Gläubiger muss das Erlangte an den Geschädigten weiterleiten (siehe unten).

    • Der Schuldner kann Haftungsbeschränkungen auch gegenüber dem Geschädigten geltend machen gem. § 334 BGB analog.

Drittschadensliquidation-Rechtsfolge

III.Zufällige Schadensverlagerung

Die Drittschadensliquidation durchbricht den Grundsatz, dass nur derjenige, der verletzt ist, seinen eigenen Schaden geltend machen kann.5 Daher wird die Drittschadensliquidation restriktiv gehandhabt. Dazu gibt es folgende Fallgruppen:

  1. Obligatorische Gefahrenentlastung
  2. Mittelbare Stellvertretung
  3. Obhut für fremde Sachen
1. Obligatorische Gefahrenentlastung

Bei der obligatorischen Gefahrenentlastung fallen auf Grund einer Gefahrtragungsnorm Schaden und Anspruch auseinander.6 Beispiel § 447 BGB:

K möchte bei V eine Musikanlage kaufen und geliefert bekommen. V schickt dazu seinen Freund O. Auf dem Weg zum K verursacht O schuldhaft einen Unfall, bei dem die Musikanlage zerstört wird. Ansprüche K und V gegen O?

Dem V stehen sowohl vertragliche, als auch deliktische Ansprüche gegen O zu gem. § 280 Abs. 1 BGB und § 823 Abs. 1 BGB. Seine Ansprüche laufen jedoch ins Leere, da V keinen Schaden hat. Denn gem. § 447 Abs. 1 BGB ist die Preisgefahr auf den K über gegangen, weshalb der K stets zur Kaufpreiszahlung gem. § 433 Abs. 2 BGB verpflichtet ist. K hat demnach den Schaden. K hat jedoch keine vertraglichen Ansprüche gegen den O, er hatte ja noch gar nichts mit ihm zu tun gehabt. Ebenso mangelt es an einem deliktischen Anspruch, da K noch kein Eigentum über die Musikanlage erworben hat. O würde grundsätzlich mit seinem verschuldeten Unfall davon kommen. Damit es nicht zu diesem Ergebnis kommt, wandert der Schaden von K an V rüber. V kann dann mit den (vollständigen) Ansprüchen gegen O vorgehen. Sodann hat K einen Herausgabeanspruch des Ersatzes gegen V gem. § 285 BGB.

2. Mittelbare Stellvertretung

Das besondere Merkmal der mittelbaren Stellvertretung ist, dass der Vertreter im eigenen Namen für jemand anderen einen Vertrag schließt.7 Dies ist beispielsweise bei einem Kommissionsgeschäft gem. § 383 Abs. 1 HGB üblich.

Kommissionär K kauft bei V eine Spiegelreflexkamera im eigenen Namen, jedoch aber für den O. Nach Vertragsschluss stellt sich heraus, dass der Sensor der Spiegelreflexkamera einen Kratzer hat, weshalb keine brauchbaren Fotos geschossen werden können. Anspruche K und O gegen V?

Der Schaden wird in diesem Fall nicht der Kommissionär K haben, sondern der O. O hat jedoch keine Ansprüche gegen den V. Die Ansprüche hat der K, der jedoch keinen Schaden hat. Es ist jedoch gewohnheitsrechtlich anerkannt, dass in Fällen der mittelbaren Stellvertretung der mittelbare Vertreter, also hier der K, die Ansprüche seines Geschäftsherrn O gegenüber V geltend machen kann.8

3. Obhut für fremde Sachen

Ein berechtigter Besitzer einer Sache schließt mit einem Dritten einen Vertrag. Dadurch werden Obhutspflichten für den Dritten begründet. Verletzt der Dritte eine Obhutspflicht, hat sodann der Eigentümer einen Schaden, nicht der berechtigte Besitzer. Jedoch kann der berechtigte Besitzer den Schaden des Eigentümers gegenüber den Dritten geltend machen.9

A, Eigentümer eines Schönfelders, gibt diesen seinen Kommilitonen B mit nach Hause. B stellt den Tapezierer T ein, damit dieser sein Arbeitszimmer renoviert. Aus Versehen gießt T während seiner Arbeit in der Wohnung seine Tasse Kaffee über den Schönfelder.

IV. Rechtsfolgen

Der Gläubiger muss das vom Schuldner geleistete an den Geschädigten weiterleiten.10 Liegt Unmöglichkeit gem. § 275 BGB vor, ergibt sich diese Pflicht bereits aus § 285 Abs. 1 BGB.

Merken! Es geht nicht der Anspruch zum Schaden über. Denn ohne der Abtretung, könnte der Schädiger (hier Schuldner) kein Gebrauch der Schutznormen für den Schuldner nach Abtretung, §§ 404 ff. BGB, machen. Er würde also das Recht an Einwendungen verlieren. Somit wird der Schaden immer zum Anspruch gezogen.11

Wesentliche Unterschiede zum Vertrag mit Schutzwirkung zugunsten Dritter:12

  1. Der Geschädigte bei einem Vertrag mit Schutzwirkung zugunsten Dritter hat einen eigenen Anspruch gegen den Schuldner. Bei der Drittschadensliquidation verschiebt sich der Schaden zu einen noch nicht vollständigen Anspruch.
  2. Der Vertrag mit Schutzwirkung zugunsten Dritter erweitert den Kreis der Anspruchsberechtigten, während es bei der Drittschadensliquidation um das Entgegenwirken einer zufälligen Schadensverlagerung geht.
  3. Der Vertrag mit Schutzwirkung zugunsten Dritter erhöht das Haftungsrisiko des Schuldners, wobei die Drittschadensliquidation das Ziel hat, den Schuldner nicht ungerechtfertigt zu entlasten.


1 – Looschelders, Schuldrecht Allgemeiner Teil, 14. Auflage 2016, § 46, Rn. 1025.
2 – Looschelders, (Fn. 1), § 46, Rn. 1024.
3 – Looschelders, (Fn. 1), § 46, Rn. 1025.
4 – Looschelders, (Fn. 1), § 46, Rn. 1024.
5 – Looschelders, (Fn. 1), § 46, Rn. 1023.
6 – Looschelders, (Fn. 1), § 46, Rn. 1027.
7 – Looschelders, (Fn. 1), § 46, Rn. 1029.
8 – BGHZ 133, 36 (41); Supra.
9 – Looschelders, (Fn. 1), § 46, Rn. 1030.
10 – Looschelders, (Fn. 1), § 46, Rn. 1025.
11 – Looschelders, (Fn. 1), § 46, Rn. 1024.
12 – Looschelders, (Fn. 1), § 46, Rn. 1024.

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Van
Van

Van hat Jura an der Ruhr-Universität Bochum studiert und belegte den Schwerpunkt "Unternehmen und Wettbewerb" mit Fokus auf Urheberrecht, Gewerblichen Rechtsschutz und Datenschutzrecht. Neben Jura interessiert er sich für Fotografie, Sport und Web 2.0. Außerdem mag er Katzen.