Unentgeltliche Verfügung eines Nichtberechtigten, § 816 Abs. 1 S. 2 BGB
- Unentgeltliche Verfügung eines Nichtberechtigten, § 816 Abs. 1 S. 2 BGB
- Unentgeltliche Verfügung
- Durch einen Nichtberechtigten
- Wirksamkeit der Verfügung gegenüber dem Berechtigten
- Rechtsfolgen
- Herausgabe des Erlangten, § 816 Abs. 1 S. 2 BGB
- Sonderprobleme
§ 816 Abs. 1 S. 2 BGB (und § 822 BGB) stellen eine Ausnahme dar, nämlich dass der Dritte direkt vom Berechtigten in Anspruch genommen werden kann.1 Hat ein Nichtberechtigter unentgeltlich wirksam über eine Sache eines anderen verfügt, scheiden folgende Ansprüche aus:
- § 985 BGB scheidet aus, wenn der Dritte gutgläubig war und somit gutgläubig Eigentum an der Sache erworben hat gem. §§ 932 ff BGB.
- § 816 Abs. 1 S. 1 BGB (entgeltliche Verfügung eines Nichtberechtigten) scheidet aus, da der Nichtberechtigte keine Gegenleistung erlangt hat und somit auch nichts herausgeben kann.
- § 812 Abs. 1 S. 1 Alt. 2 BGB (Allgemeine Nichtleistungskondiktion) scheidet aus, da der Dritte aufgrund einer Leistung (zwischen Nichtberechtigter – Dritte) etwas erlangt hat. Es gilt der Vorrang der Leistungskondiktion.
Der Dritte ist zwar wirksam Eigentümer geworden, jedoch ist er durch die Unentgeltlichkeit nicht schutzwürdig.2 Deswegen ist ausnahmsweise ein Durchgriff und die Durchbrechung des Grundsatzes der Vorrangigkeit der Leistungskondiktion gerechtfertigt.3
I. Unentgeltliche Verfügung eines Nichtberechtigten, § 816 Abs. 1 S. 2 BGB
1. Unentgeltliche Verfügung
Eine Verfügung ist ein Rechtsgeschäft, durch das ein bestehendes Recht unmittelbar übertragen, belastet, aufgehoben oder seinem Inhalt nach geändert wird.4
Die Verfügung muss unentgeltlich erfolgt sein, zum Beispiel durch Schenkung gem. § 516 BGB.
2. Durch einen Nichtberechtigten
Nichtberechtigter ist, wer über eine Sache nicht verfügungsbefugt ist.5
3. Wirksamkeit der Verfügung gegenüber dem Berechtigten
Wirksam wird die Verfügung gegenüber dem Berechtigten dann, wenn entweder der Erwerber (Dritte) kraft guten Glaubens ein Recht erwirbt gem. §§ 932 ff., 891 ff., 1207 f., 2365 ff. BGB, § 366 HGB oder die Verfügung vom Berechtigten genehmigt wird gem. § 185 Abs. 2 S. 1 Alt. 1 BGB.6
Die Genehmigung kann auch konkludent erfolgen, etwa beim Herausverlangen des Verkaufserlöses (Ehem. Eigentümer – Nichtberechtigter).7
II. Herausgabe des Erlangten
Herausgabe des Erlangten durch den Dritten.8 Anspruchsgegner ist hier nicht wie bei § 816 Abs. 1 S. 1 BGB der verfügende Nichtberechtigte, sondern der Empfänger der Sache, also der Dritte.9
III. Sonderprobleme
B schenkt und übereignet einen Gegenstand von A an C. Danach stellt sich heraus, dass der Schenkungsvertrag nichtig ist. Wie kann A vorgehen?
- Durch die Nichtigkeit erlangt B einen Anspruch aus allgemeiner Leistungskondiktion gem. § 812 Abs. 1 S. 1 Alt. 1 BGB gegen den C. Diesen könnte A mittels § 816 Abs. 1 S. 1 BGB herausverlangen (Kondiktion der Kondiktion).10
- C hat allerdings etwas unengeltlich von B erhalten. A könnte daher mittels § 816 Abs. 1 S. 2 BGB analog gegen C vorgehen.
e.A.: Direktkondiktion gem. § 816 Abs. 1 S. 2 BGB analog (+): rechtsgrundlose Verfügung = unentgeltliche Verfügung11
h.M.: Kondiktion übers Eck (+): Es bestehen zwei Kondiktionen (Doppelkondiktion). Den einen Anspruch, den der Nichtberechtigte B gegen C erlangt aus conditio indebiti gem. § 812 Abs. 1 S. 1 BGB hat, muss er dem A abtreten. Denn nur so kann der Dritte C dem A die Einwendungen entgegen halten, die er sonst seinem Vertragsparnter B vorhalten könnte, § 404 BGB.12
Eine gemischte Schenkung ist ein einheitlicher Vertrag, bei dem der Wert der Leistung des einen dem Wert der Leistung des anderen nur zum Teil entspricht, die Vertragspartner dies wissen und übereinstimmend wollen, dass der überschießende Wert unentgeltlich gegeben wird.13
BGH: Unentgeltlichkeit (+), wenn der unentgeltliche Charakter überwiegt: Schwerpunkttheorie, „Alles oder Nichts“14).15
Lit.: Differenzierte Herangehensweise:
- Bzgl. des entgeltlichen Teils kann der Berechtigte den Nichtberechtigten gem. § 816 Abs. 1 S. 1 BGB in Anspruch nehmen.16
- Bzgl. des unentgeltlichen Teils kann der Berechtigte den Erwerber gem. § 816 Abs. 1 S. 2 BGB in Anspruch nehmen.17 Dieser haftet auf Wertersatz gem. § 816 Abs. 1 S. 2 BGB i.V.m. § 818 Abs. 2 BGB, weil er den unentgeltlichen Teil bei Unteilbarkeit der Sache nicht herausgeben kann.18
1 – Wandt, Gesetzliche Schuldverhältnisse – Deliktsrecht, Schadensrecht, Bereicherungsrecht, GoA, 6. Auflage, 2014, §11, Rn. 39.
2 – Supra.
3 – Supra (Fn. 1); Wandt, (Fn. 1), §11, Rn. 43, 44.
4 – Wandt, (Fn. 1), §11, Rn. 26.
5 – Wandt, (Fn. 1), §11, Rn. 28.
6 – Wandt, (Fn. 1), §11, Rn. 30.
7 – Supra.
8 – Wandt, (Fn. 1), §11, Rn. 47; vgl. Wortlaut § 816 Abs. 1 S. 2 BGB “ welcher auf Grund der Verfügung unmittelbar einen rechtlichen Vorteil erlangt“.
9 – Wandt, (Fn. 1), §11, Rn. 41.
10 – Wandt, (Fn. 1), §11, Rn. 45.
11 – Supra.
12 – Supra (Fn. 10).
13 – BGH NJW-RR, 1996, 754.
14 – Wandt, (Fn. 1), §11, Rn. 33, 46.
15 – Wandt, (Fn. 1), §11, Rn. 46.
16 – Supra.
17 – Supra (Fn. 15).
18 – Supra (Fn. 15).