Entgeltliche Verfügung eines Nichtberechtigten, § 816 Abs. 1 S. 1 BGB

  1. Entgeltliche Verfügung eines Nichtberechtigten, § 816 Abs. 1 S. 1 BGB
    1. Entgeltliche Verfügung
    2. Durch einen Nichtberechtigten
    3. Wirksamkeit der Verfügung gegenüber dem Berechtigten
  2. Rechtsfolgen
    1. Herausgabe des Erlangten, § 816 Abs. 1 S. 1 BGB
  3. Sonderprobleme

I. Entgeltliche Verfügung eines Nichtberechtigten, § 816 Abs. 1 S. 1 BGB
1. Entgeltliche Verfügung

Eine Verfügung ist ein Rechtsgeschäft, durch das ein bestehendes Recht unmittelbar übertragen, belastet, aufgehoben oder seinem Inhalt nach geändert wird.1

Die Verfügung muss entgeltlich erfolgt sein. Dabei ist entscheidend, dass der Erwerber eine Gegenleistung in Form eines Vermögensopfers erbringt.2

2. Durch einen Nichtberechtigten

Nichtberechtigter ist, wer über eine Sache nicht verfügungsbefugt ist.3

3. Wirksamkeit der Verfügung gegenüber dem Berechtigten

Wirksam wird die Verfügung gegenüber dem Berechtigten dann, wenn entweder der Erwerber (Dritte) kraft guten Glaubens ein Recht erwirbt gem. §§ 932 ff., 891 ff., 1207 f., 2365 ff. BGB, § 366 HGB oder die Verfügung vom Berechtigten genehmigt wird gem. § 185 Abs. 2 S. 1 Alt. 1 BGB.4

Die Genehmigung kann auch konkludent erfolgen, etwa beim Herausverlangen des Verkaufserlöses (Ehem. Eigentümer – Nichtberechtigter).5

II. Herausgabe des Erlangten

Herauszugeben ist nach h.M. das erlangte Entgelt ohne Rücksicht darauf, ob es den Wert des Gegenstandes übersteigt oder unterschreitet.6

Erwerbspreis als Abzugsposten möglich? Nein!7

  • Erwerber hat Ansprüche aus Vertragspflichtverletzung gegenüber seinem Vertragspartner (Nichtberechtigter). Ob der Vertragspartner zahlungsfähig ist, fällt in dem Risikobereich des Erwerbers.
  • Schutz des Berechtigten wäre sonst unterlaufen.
  • Aufwendungen für den Erwerb einer Sache stehen nicht in einem ursächlichen Zusammenhang.
  • Der Erwerber muss bei einem Anspruch aus § 985 BGB dem Eigentümer die Sache herausgeben und kann ihm nicht entgegenhalten, dies nur zu tun sofern er ihm den Erwerbspreis zurückzahlt. Er (Erwerber) hat ebenso wenig keinen Anspruch auf Verwendungsersatz gem. §§ 994 ff. BGB. Dieser Rechtsgedanke gilt ebenso im Bereicherungsrecht gem. § 816 Abs. 1 S. 1 BGB.
III. Sonderprobleme

1. Untermieterfall – unberechtigte Nutzungsüberlassung = Begründung eines Erlösherausgabeanspruchs gem. § 816 Abs. 1 S. 1 BGB?8

Ein Mieter (Nichtberechtigter) vermietet eine Sache eines Eigentümers (Berechtigter) unberechtigt an einen Dritter. Es stellt sich die Frage, ob der daraus erlangte Mietzins einen Anspruch auf Herausgabe gem. § 816 Abs. 1 S. 1 BGB begründet.

e.A.: (+), Nichtberechtigter verfügt nicht über die Mietsache, sondern über die Nutzungsmöglichkeit der Sache. Ist der Dritte im gutem Glauben, so kann er auch nicht über die Regelungen des EBV in Anspruch genommen werden. Somit bestehe hierfür ein Ausgleichsbedürfnis.9

h.M.: (-), Sowohl für direkte als auch analoge Anwendung des § 816 Abs. 1 S. 1 BGB. Die Untervermietung ist keine Verfügung. Der Eigentümer kann jederzeit die Herausgabe verlangen, vgl. § 604 Abs. 4 BGB und § 985 BGB. Im Regelfall des § 816 Abs. 1 S. 1 BGB ist der Dritte Eigentümer geworden. Dies ist im Untermieterfall eben nicht der Fall. Ist der Dritte gutgläubig, so entspricht dies dem Schutzzweck des EBV, dass der gutgläubige Erwerber nicht in Haftung genommen werden kann und soll.10

2. Einbaufall – Analoge Anwendung bei Eigentumserwerb kraft Gesetz, §§ 946 ff. BGB)

Ein Nichtberechtigter baut Baumaterial in ein Grundstück eines Dritten, der dadurch kraft Gesetz gem. §§ 946 ff. BGB Eigentum an dem Baumaterial erwirbt. Der Nichtberechtigte erhält für das Baumaterial einen Erlös. Herausgabe des Erlöses?

Beachte: Hier liegt keine Verfügung i.S.d. § 816 Abs. 1 S. 1 BGB vor, da der Einbau eine tatsächliche Handlung darstellt und der Dritte Eigentum kraft Gesetz erwirbt und nicht kraft Rechtsgeschäft! Der Tatbestand wäre jedoch begründet, wenn der Nichtberechtigte vor Einbau die Sache dem Dritten übereignet hätte.11 Es liegt daher eine vergleichbare Rechtslage vor (vgl. §§ 932 ff BGB), bei dem der Eigentumerwerbstatbestand an weiteren Voraussetzung angeknüpft.12 § 816 Abs. 1 S. 1 BGB ist daher  analog anwendbar.

3. Gewinnhaftung oder Werthaftung?13

Der Nichtberechtigte verkauft die Sache unberechtigt an einen Dritten deutlich über den Gegenstandswert. Es stell sich die Frage, ob der Nichtberechtigte zur Herausgabe des vollständigen Verkaufserlöses (Gewinnhaftung) verpflichtet ist oder nur den objektiven Wert des Gegenstandes (Werthaftung) herausgeben muss.

e. A.: Eine Ansicht ist für die Werthaftung, also die Haftung für (lediglich) den objektiven Wert der Sache. Der Nichtberechtigte schuldet nach § 816 Abs. 1 S. 1 BGB lediglich die Herausgabe der verfügten Sache. Da dies wegen Unmöglichkeit nicht möglich ist, ist der Nichtberechtigte zum Wertersatz verpflichtet (§ 818 Abs. 2 BGB). Der Überschuss, der übrig bleibt, ist dem geschäftlichem Geschick des Nichtberechtigten zuzurechnen und ist daher auch nicht dem Berechtigten geschuldet.14

a. A.: Die Gegenansicht (Gewinnhaftung) stützt sich auf den Wortlaut des § 816 Abs. 1 S. 1 BGB und sieht unter „durch die Verfügung Erlangt“ den kompletten Verkaufserlös. Dieses Ergebnis sei auch interessengerecht, da der Berechtigte durch § 816 Abs. 1 S. 1 BGB einen Ersatz für den Verlust der Vindikation gem. § 985 BGB erhalten soll. Zudem greift der Nichtberechtigte unbefugt in die Sache eines anderen ein, sodass es gerecht erscheint, ihm den Überschuss am Verkaufserlös nicht zuzusprechen.15 Vgl. § 285 BGB (stellvertretendes commodum) und § 993 Abs. 1 Hs. 1 BGB (Herausgabe von Übermaßfrüchten). Außerdem ist der Nichtberechtigte weiterhin über den Wegfall der Bereicherung gem. § 818 Abs. 3 BGB geschützt.16

Zurück zur Übersicht „Bereicherungsrecht“

1 – WandtGesetzliche Schuldverhältnisse – Deliktsrecht, Schadensrecht, Bereicherungsrecht, GoA, 6. Auflage, 2014, §11, Rn. 26.
2 – Wandt, (Fn. 1), §11, Rn. 33.
3 – Wandt, (Fn. 1), §11, Rn. 28.
4 – Wandt, (Fn. 1), §11, Rn. 30.
5 – Supra.
6 – Wandt, (Fn. 1), §11, Rn. 34.
7 – Wandt, (Fn. 1), §11, Rn. 35, §12, Rn. 26.
8 – Wandt, (Fn. 1), §11, Rn. 37.
9 – Supra.
10 – Supra (Fn. 8).
11 – Supra (Fn. 8).
12 – Supra (Fn. 8).
13 – Supra (Fn. 8).
14 – Supra (Fn. 8).
15 – Supra (Fn. 8).
16 – Supra (Fn. 8).

Print Friendly, PDF & Email
Van
Van

Van hat Jura an der Ruhr-Universität Bochum studiert und belegte den Schwerpunkt "Unternehmen und Wettbewerb" mit Fokus auf Urheberrecht, Gewerblichen Rechtsschutz und Datenschutzrecht. Neben Jura interessiert er sich für Fotografie, Sport und Web 2.0. Außerdem mag er Katzen.