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Haftung des Frachtführers (Drittschadensliquidation / DSL)

Haftung des Frachtführers[1]

Beispielsfall:

V aus Bochum verkauft einen von K aus Köln (Unternehmer) konfigurierten Supercomputer im Wert von 12,000 €. K möchte, dass V den Computer an ihn zusendet und ist auch dazu bereit, die Kosten zu übernehmen. V übergibt dem Frachtführer F das Paket. Der M, Fahrer des Transportwagens, ist auf dem Weg zur Lieferung des Pakets als ihm aufgrund Fahrlässigkeit ein Unfall passiert. Dadurch wird das Paket samt Inhalt vollkommen zerstört.

V verlangt Zahlung des Kaufpreises i.H.v. 12,000€ von K. K zahlt nur, wenn V seinen Anspruch an K abtrete.


A. Anspruch entstanden

(+), da Kaufvertrag gem. § 433 BGB vorhanden.

B. Anspruch erloschen

  1. Nach § 326 Abs. 1 S. 1 BGB:
    1. Setzt voraus, dass Schuldner V von seiner Leistungspflicht gem. § 275 BGB befreit wurde. (+), da Supercomputer zerstört: § 326 Abs. 1 S. 1 BGB (+)
    2. (P) § 326 Abs. 2 S. 1 BGB (sog. Anspruchserhaltende Norm bzw. Anspruchserhaltungsnorm)
      1. (-), da Gläubiger K den Umstand, der zur Unmöglichkeit nicht zu vertreten hat und sich auch nicht im Annahmeverzug befand.
    3. ZwErg (Zwischenergebnis): § 326 Abs. 1 S. 1 BGB (+), somit ist der Anspruch des V nach § 433 Abs. 2 BGB erloschen.
  2. Etwas anderes könnte sich jedoch aus § 447 Abs. 1 BGB (Gefahrtragungsregel) ergeben:
    1. Anwendbarkeit beschränkt durch 475 Abs. 2 BGB? (-), K ist kein Verbraucher, sondern Unternehmer, § 475 Abs. 2 BGB ist dementsprechend nicht anwendbar.
    2. Voraussetzungen des § 447 Abs. 1 BGB:
      1. Versendung an einen anderen Ort als den des Erfüllungsortes (Leistungsort § 269 BGB, nicht Erfolgsort!!!)
      2. (P) Verlangen des K auf Zusendung des Pakets als Bringschuld oder Schickschuld zu qualifizieren? Bringschuld (-), da Transport nicht zum Inhalt der Leistungspflicht des V wurde (vgl. § 269 Abs. 3 BGB). Daher Schickschuld (+). Es liegt eine Versendung aus einem anderen Ort (Bochum) als den des Erfüllungsortes (Köln) vor, die auf Verlangen des K erfolgte und V übergab das Paket an eine Transportperson (Frachtführer F): § 447 Abs. 1 BGB (+).
      3. Rechtsfolge: Übergang der Preisgefahr auf den Käufer K gem. § 447 Abs. 1 BGB. Wichtig: Da es sich hierbei um eine Schickschuld handelt, der Transport somit nicht Inhalt der Leistungspflicht des V ist, ist F bzw. M nicht Erfüllungsgehilfe gem. § 278 BGB des V.
      4. Realisierung einer typischen Transportgefahr: (+)
      5. ZwErg: Die Preisgefahr ist gem. § 447 Abs. 1 BGB auf den Käufer K übergegangen. Der Anspruch auf Kaufpreiszahlung des V gegen den K i.H.v. 12,000€ ist nach § 326 Abs. 1 S. 1 BGB nicht erloschen.

C. Anspruch nicht durchsetzbar

    1. Einrede des nicht erfüllten Vertrags gem. § 320 BGB
      1. Dies setzt einen Anspruch aus gegenseitigem Vertrag voraus. Der Anspruch des K auf Übergabe und Übereignung der Kaufsache gem. § 433 Abs. 1 S. 1 BGB ist gem. § 275 BGB erloschen. Als Gegenanspruch gegen V kommt aber § 285 BGB (sog. Stellvertretendes Commodum) in Betracht.
      2. § 285 BGB setzt voraus, dass der Schuldner aufgrund § 275 BGB einen Ersatz oder Ersatzanspruch erlangt hat. In Betracht kommt §§ 425, 428 HGB (Haftung des Frachtführers).
        1. F haftet nach § 425 Abs. 1 HGB. Grundsätzliche Exkulpation gem. § 426 HGB, jedoch wegen § 428 HGB nicht möglich. F haftet daher für seinen Fahrer M und kann sich nicht entlasten.
        2. (P) Nach der Differenztheorie hat V keinen Schaden, da er weiterhin einen Anspruch auf Kaufpreiszahlung hat (s.o.). Es kann daher grundsätzlich keinen Schadensersatzanspruch ohne Schaden geltend gemacht werden. Allerdings ist § 421 Abs. 1 S. 2 a.E. HGB zu beachten: Danach bleibt der Absender (V) zur Geltendmachung der Schadensersatzansprüche aus dem Frachtvertrag befugt.
        3. Infolgedessen hat V gegen F einen Anspruch aus §§ 425, 428 HGB.
      3. K kann daher gegen V gem. § 285 BGB verlangen, dass V ihn seinen Anspruch gem. §§ 425, 428 HGB gegen F abtretet. Solange dies nicht geschehen ist, ist K berechtigt, die Einrede des nicht erfüllten Vertrages gem. § 320 BGB zu erheben. Die Zahlung des Kaufpreises erfolgt daher Zug um Zug gegen den Ersatzanspruch des V gegen F.

Ein kleines Bonbon zum Schluss:

K hat gegen den Frachtführer selbst einen Anspruch aus § 421 Abs. 1 S. 2 Hs. 1 HGB: „Ist das Gut beschädigt oder verspätet abgeliefert worden oder verlorengegangen, so kann der Empfänger die Ansprüche aus dem Frachtvertrag im eigenen Namen gegen den Frachtführer geltend machen; …“.

Taktisch gesehen sollte der Käufer dennoch die Kaufpreiszahlung bis zur Abtretung des Anspruchs des V verweigern, denn sowohl der K als Käufer (Empfänger) als auch der V als Verkäufer (Absender) sind Gesamtgläubiger nach § 428 BGB gegen den Frachtführer F. D.h. der F könnte an den V mit Erfüllungswirkung leisten (§§ 429 Abs. 3, 422  Abs. 1 BGB), sodass K am Ende seinen eigenen Anspruch gegen F nicht mehr durchsetzen kann.


[1] Mit etwas Kaufrecht, Handelsrecht und allgemeines Leistungsstörungsrecht.

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