(Quasinegatorischer) Unterlassungsanspruch, (analog) § 1004 Abs. 1 BGB

  1. (Quasinegatorischer) Unterlassungsanspruch, (analog) § 1004 Abs. 1 S. 1 BGB
    1. Bevorstehende Eigentumsbeeiträchtigung oder Verletzung eines der in den §§ 823 ff. BGB geschützten Rechte/Rechtsgüter
      1. Wiederholungs- oder Erstbegehungsgefahr
    2. Rechtswidrigkeit (kein Ausschluss)
    3. Anspruchsgegner ist Störer
      1. Unmittelbarer Handlungsstörer
      2. Mittelbarer Handlungsstörer
      3. Zustandsstörer
    4. Rechtsfolge
      1. Unterlassen der bevorstehenden Beeinträchtigung

Für einen Anspruch auf Beseitigung oder Unterlassung ist ein Verschulden nicht vorausgesetzt.[1]

I. (Quasinegatorischer) Unterlassungsanspruch, (analog) § 1004 Abs. 1 S. 1 BGB

Für den Unterlassungsanspruch gelten die gleichen Voraussetzungen wie für den Beseitigungsanspruch! Hinzu kommt jedoch die Voraussetzung der sog. Wiederholungs- oder Erstbegehungsgefahr (siehe unten)! Außerdem geht es bei dem Unterlassungsanspruch um das „Unterlassen der bevorstehenden Beeinträchtigung“, während es bei dem Beseitigungsanspruch um die „Beseitigung der fortdauernden Beeinträchtigung“ geht. 

Der Eigentümer kann gegen einen Störer nach § 1004 Abs. 1 S. 1 BGB vorgehen, indem er Beseitigung der Beeinträchtigung geltend macht. Außerdem kann er nach § 1004 Abs. 1 S. 2 BGB auf Unterlassung weiterer Beeinträchtigungen vorgehen.

Dem Besitzer stehen ebenfalls nach § 862 Abs. 1 BGB Beseitigungs- und Unterlassungsansprüche gegen einen Störer zu.

Diese Ansprüche werden negatorische Beseitigungs- und Unterlassungsansprüche genannt.[2]

Im Rahmen des Deliktsrecht besteht eine Schutzbedürftigkeit für die in §§ 823 ff. BGB geschützten Rechte und Rechtsgüter.[3] Wenn also eine Verletzung eines Rechts oder Rechtsgut vorliegt (Beseitigung) oder in Zukunft droht (Unterlassung), wird dem Geschädigten ein quasinegatorischer Beseitigungs- bzw. Unterlassungsanspruch nach § 1004 BGB analog gewährt.[4]

II. Anspruchsgegner ist Störer

Störer ist, wer in irgendeiner Weise willentlich und adäquat kausal an der Herbeiführung der rechtswidrigen Beeinträchtigung mitgewirkt hat, sofern er die rechtliche Möglichkeit zur Verhinderung hatte.[5]

Es gibt dazu unterschiedliche Arten eines Störers: (Verhaltensstörer, unmittelbar und mitttelbar – Zustandsstörer)

1. Unmittelbarer Handlungsstörer

Unmittelbarer Handlungsstörer ist, wer die Beeinträchtigung selbst durch sein eigenes Handeln oder Unterlassen hervorruft.[6]

2. Mittelbarer Handlungsstörer

Mittelbarer Handlungsstörer ist, wer die Beeinträchtigung durch einen anderen in irgendeiner adäquaten Weise durch seine Willensbetätigung verursacht und die Möglichkeit hat, die unmittelbar hervorgerufene Störung zu verhindern.[7]

3. Zustandsstörer

Zustandsstörer ist, wer die Beeinträchtigung nicht selbst verursacht hat, allerdings die Quelle der Störung beherrscht, sodass er willentlich den beeinträchtigenden Zustand aufrechterhält.[8]

Damit die Beeinträchtigung, die von einer Quelle ausgeht, zugerechnet werden kann, wird vorausgesetzt, dass die Beeinträchtigung zumindest mittelbar auf den Willen des Störers (beispielsweise Eigentümer oder Störer) zurückzuführen ist.[9]

Aktueller Fall: Handwerker verursacht Brand im Haus des A, der ihn dazu beauftragt hat, Reparaturarbeiten zu erledigen. Der Brand greift gerät außer Kontrolle und greift auf Nachbarhäuser über. Hier wurde eine Zurechnung angenommen, A war demnach für den Brand verantwortlich und war Zustandsstörer. Er haftete also nach § 1004 Abs. 1 BGB.[10]

III. Kein Ausschluss, § 1004 Abs. 2 BGB (analog)

Der Anspruch auf Beseitigung oder Unterlassung ist ausgeschlossen, sofern dem Geschädigten eine Duldungspflicht nach § 1004 Abs. 2 BGB trifft. Folgende Duldungspflichten können in Betracht kommen:[11]

  • Rechtfertigungsgründe
  • Zuführung unwägbarer Stoffe bei unwesentlicher Beeinträchtigung oder wesentliche Beeinträchtigung durch ortsübliche Benutzung, § 906 BGB
  • Leicht fahrlässiger Überbau, § 912 BGB
  • Kraft Rechtsgeschäft (Einwilligung)
  • Kraft öffentlich-rechtlicher Vorschriften
IV. Wiederholungs- und Erstbegehungsgefahr

Für den Unterlassungsanspruch wird außerdem noch eine Wiederholungsgefahr vorausgesetzt, siehe Wortlaut § 1004 Abs. 1 S. 1 BGB „weitere Beeinträchtigungen zu besorgen“. Dabei reicht die erstmalige Verletzung bereits aus.[20] Auch reicht es für diesen Anspruch aus, wenn die Beeinträchtigung wahrscheinlich bevorsteht (Erstbegehungsgefahr).

V. Anspruchsinhalt

Der Störer schuldet im Rahmen seiner Beseitigungspflicht den sog. actus contrarius: d.h. er muss die Beeinträchtigung rückgängig machen oder für die Zukunft verhindern.[12] Folgebeeinträchtigungen, die sich durch den störenden Eingriff ergeben, müssen nicht beseitigt werden (Literatur).[13]

Die Rechtsprechung folgt nicht dieser Formel, sondern der Wiederbenutzbarkeitstheorie. Die besagt, dass der Störer jegliche Beeinträchtigungen beseitigen muss, die durch der ersten Störung überhaupt entstanden sind.[14]

Beispiel: Im Fall eines verunreinigten Erdbodens reicht es nicht nur aus, den verunreinigten Teil abzutragen und zu entsorgen, sondern es müsse auch Maßnahmen getroffen werden für die Wiederherstellung des ursprünglichen Zustands.[15]

Beachte, dass auch hier (nur) die Folgen aus der Störungsbeseitigung erfasst sind und nicht weitere Störungsfolgen![16]

Möglichkeiten der Beseitigung bei unwahren Tatsachenbehauptungen.[17]

  • Widerruf
  • Richtigstellung
  • Löschung

Beachte: Bei Werturteilen (Meinungsäußerungen) ist ein Widerruf mit Blick auf Art. 5 GG nicht zulässig![18] Aus gleichen Gründen kann niemand ein bestimmtes Werturteil aufgedrängt werden.

Beseitigt der geschädigte Eigentümer die Beeinträchtigung selbst, kann er aus berechtigter Geschäftsführung ohne Auftrag (GoA) gem. §§ 683 S. 1, 677, 670 BGB Aufwendungsersatz oder aus Eingriffskondiktion gem. § 812 Abs. 1 S. 1 Alt. 2 BGB Wertersatz verlangen.[19]

Denke an analog § 254 BGB bei dem beeinträchtigten Eigentümer. Ebenfalls ist ein Vorteilsausgleich bei „neu für alt“ zu berücksichtigen!


[1] Wandt,  Gesetzliche Schuldverhältnisse – Deliktsrecht, Schadensrecht, Bereicherungsrecht, GoA, 9. Auflage, 2019, § 21, Rn. 1, 3, 4.
[2] Wandt, (Fn. 1), § 21, Rn. 2.
[3] Wandt, (Fn. 1), § 21, Rn. 3.
[4] Supra.
[5] Wandt, (Fn. 1), § 21, Rn. 4.
[6] Supra.
[7] Supra (Fn. 5).
[8] Supra (Fn. 5).
[9] Supra (Fn. 5).
[10] BGH NJW 2018, 1542; Wandt, (Fn. 1), § 21, Rn. 4.
[11] Wandt, (Fn. 1), § 21, Rn. 4.
[12] Wandt, (Fn. 1), § 21, Rn. 6.
[13] Supra.
[14] Supra (Fn. 12).
[15] BGH NJW 2005, 1366; Wandt, (Fn. 1), § 21, Rn. 6.
[16] Wandt, (Fn. 1), § 21, Rn. 6.; die werden über das Deliktsrecht (verschuldensabhängig!) abgewickelt!
[17] Wandt, (Fn. 1), § 21, Rn. 6.
[18] Supra.
[19] Wandt, (Fn. 1), § 21, Rn. 7.
[20] Wandt, (Fn. 1), § 21, Rn. 8.

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Van
Van

Van hat Jura an der Ruhr-Universität Bochum studiert und belegte den Schwerpunkt "Unternehmen und Wettbewerb" mit Fokus auf Urheberrecht, Gewerblichen Rechtsschutz und Datenschutzrecht. Neben Jura interessiert er sich für Fotografie, Sport und Web 2.0. Außerdem mag er Katzen.